Druckluftaufbereitung auf Hybrid-Lokomotiven
Branche: | Transport, Lokomotiven |
Kunde/Ort/Jahr: | ALSTOM, Stendal, 2013 |
Anwendung der Druckluft: | Steuerluft, Prozessluft |
Installierte Produkte: | CLEARPOINT, DRYPOINT M, BEKOMAT, ÖWAMAT |
Im Automobilbau ein trendiges Konzept, auf der Schiene bereits bewährte Technik: Der Hybrid-Antrieb. Bis zu 50 Prozent Kraftstoffeinsparung bringt die Kombination von Dieselgenerator und Batterie auf modernen Lokomotiven. Stets mit an Bord ist ein aufwändiges „mobiles“ Druckluftaufbereitungssystem zum Betrieb der hydraulischen Bremsen.
Wenn Modelleisenbahner sich an einen Ort träumen dürften, hätte Stendal nahe Magdeburg beste Chancen, gewählt zu werden. Denn hier entstehen auf traditionsreichem Boden und in ebensolchen Hallen seit Jahrzehnten die stählernen Giganten, die den Schienenverkehr ins Rollen bringen: Lokomotiven von ALSTOM. Unter anderem die derzeit wohl cleverste und sparsamste Rangierlok: ein Hybrid mit kombiniertem Dieselgenerator und Batterie.
Der international aufgestellte französische ALSTOM-Konzern ist weltweit führend im Bau von Anlagen und Produkten für die Stromerzeugung, Energie-übertragung und Schieneninfrastruktur. Der Konzern baut den schnellsten Zug, die kapazitätsstärkste automatisierte U-Bahn der Welt – und, im deutschen Stendal, die wegweisende Hybrid-Lokomotive.
Hier, am Standort der ALSTOM Lokomotiven Service – einem Gemeinschaftsunternehmen mit der Deutschen Bahn AG –, nahm das Konzept des kombinierten Antriebskonzepts bereits 2006 konkrete Formen an. In diesem Jahr stellten die ALSTOM-Ingenieure den ersten fahrbereiten Prototypen der Hybrid-Rangierlokomotive auf die Schiene. Aufgebaut wurde er auf dem Rahmen der bewährten V100-Lokomotive mit ihren zwei Drehgestellen. Zusätzlich zum typischen dieselelektrischen Generator kam als Energiespeicher eine große Batterie mit an Bord – sowie eine völlig neu entwickelte Anlage zur Druckluftaufbereitung für die Bremsanlagen von Lok und angehängten Waggons.
Vom Prototypen zur Serienreife
Bei ALSTOM ist man stolz auf die „Stahlrösser“ – vor allem auf deren Leistungsfähigkeit und Sparsamkeit. Das Prinzip: Die Hybrid-Ausführung der Rangierlok ist mit einem 230-kW-Dieselgenerator und einer Batterie ausgestattet. Mit dieser Auslegung ist sie besonders für den schweren Rangierbetrieb geeignet. Ein sehr sparsamer und umweltfreundlicher Dieselgenerator lädt die Batterie und kann auch direkt den Elektromotor für Spitzenlasten antreiben. Bei Teillast fährt die Lok über Batterie und spart somit in dieser Variante 30 bis 50 Prozent Diesel gegenüber herkömmlichen 700-kW-Rangierlokomotiven. Unterwegs ist die muskulöse Hybridlok mit ihren 220 kN Anfahrzugkraft und bis zu 60 km/h Höchstgeschwindigkeit auf vier Achsen.
Im Rangierbetrieb mit seinen zahlreichen Last- und Richtungswechseln ist die Bremsanlage einer Lok besonders gefordert. Der Leistungs- und Standfähigkeit der Druckluftaufbereitung galt dementsprechend bereits in frühester Entwicklungsphase der Hybriden die volle Aufmerksamkeit.
Druckluftaufbereitung direkt an Bord
Die Druckluftproduktion und -aufbereitung für die Bremsanlage der Maschine und der angehängten Waggons erfolgt völlig autark an Bord jeder Lokomotive. In einer eigenen „mobilen“ Druckluftstation unmittelbar hinter dem Führerstand. Bis auf die Einhausung steht sie praktisch „unter freiem Himmel“, also permanent den Witterungs- und klimatischen Bedingungen ausgesetzt. Im Rangierbetrieb bei winterlichen Minusgraden ebenso wie in sengender Sommerhitze. Beim Einsatz in nordischen Gefilden ebenso wie in schwülwarmen Ländern der südlichen Hemisphäre oder in Asien. Enorme Herausforderungen also vor allem an die Technik zur Druckluftaufbereitung – und kein Spielraum für unsichere Konzepte.
Vor diesem Hintergrund holte man sich bei ALSTOM in Stendal bereits in der Projektierungsphase einen Spezialisten für diesen Bereich an Bord: den deutschen Druckluft-Systemanbieter BEKO TECHNOLOGIES GmbH aus Neuss.
Er schickte seine Ingenieure vom Rhein an die Elbe, um dort eines der bislang vielseitigsten Lastenhefte in der Projektentwicklungsgeschichte aufzunehmen. Schnell wurde klar, dass neben der Kombination vorhandener Aufbereitungskomponenten auch völlig neue Geräteausführungen zu entwickeln waren – vor allem mit Blick auf die Öl-Wasser-Trennung.
Dickes Lastenheft für die Druckluft-Ingenieure
Vom Start weg begleitete BEKO TECHNOLOGIES, die Systementwicklung für die ALSTOM-Hybridloks. Eine weitere Herausforderung: Im Rangierbetrieb stehen die Loks naturgemäß auch einmal für längere Zeit an einer Position. Bei Minus-temperaturen birgt das die Gefahr einfrierenden Kondensats im Druckluftaufbereitungssystem. Also wurden sämtliche relevanten Komponenten und Leitungen mit einem Heizungssystem versehen. Darüber hinaus sind alle eingebauten Kondensatableiter mit der Steuerung des Kompressors verbunden. Dadurch wird bei einem möglichen Ausfall oder einem Abschalten der Lok-Elektrik noch im System vorhandenes Restkondensat ferngesteuert und automatisch abgeleitet, bevor es einfrieren kann.
Über die BEKOMAT-Kondensatableiter wird es direkt in einen ÖWAMAT-Kondensataufbereiter zur Öl-Wasser-Trennung geführt. Diese von BEKO TECHNOLOGIES entwickelten Geräte tragen dem Umwelt- und Gewässerschutz Rechnung und folgen dem ganzheitlichen Ansatz der Nachhaltigkeit.
Besonders anwenderfreundlich ist ihre Kartuschentechnik. Sie erlaubt einen schnellen Wechsel des Filters und erleichtert die abfallarme Entsorgung. Darüber hinaus sind die Filterstandzeiten weitaus länger als bei herkömmlichen Aktivkohlefiltern. Aus der hohen Produktqualität resultieren außerdem verlängerte Wartungsintervalle – eine zentrale Forderung von ALSTOM für den „mobilen“, besonders harten Einsatz auf den Lokomotiven. Speziell dafür versieht BEKO TECHNOLOGIES die ÖWAMAT-Öl-Wasser-Trenner mit einem korrosionsfreien und besonders robusten Edelstahlgehäuse.
Komplettsystem auf engstem Raum
Der Öl-Wasser-Trenner ist allerdings nur die letzte Stufe des formschlüssig konzipierten Druckluftaufbereitungssystems der Hybridloks. Bereits unmittelbar hinter dem Schraubenkompressor ist der CLEARPOINT-Wasserabscheider mit erstem Kondensatableiter installiert. Es zählt jeder Millimeter bei den beschränkten Platzressourcen auf der Lok. Die enge Behausung der Druckluftanlage belegt gerade einmal die Fläche eines kleinen Garten-Gerätschuppens und nimmt nur dessen halbe Höhe ein.
Dennoch ist neben Kompressor und Wasserabscheider genug Platz für einen Feinstfilter mit Kondensatableiter sowie gleich zwei DRYPOINT M-Membrantrockner von BEKO TECHNOLOGIES. Einer davon in „Plus“-Ausführung mit integriertem Nanofilter.
Die DRYPOINT M-Membrantrockner basieren auf der von BEKO TECHNOLOGIES entwickelten „Twist 60“-Technologie: Das Membranelement besteht aus sich überkreuzenden Lagen von Hohlfasern, die um ein innenliegendes Kernrohr angeordnet sind. Dieser Aufbau stellt eine hocheffiziente Nutzung physikalischer Wirkprinzipien dar und ermöglicht das Trocknen der Druckluft mit geringem Energieverbrauch. Für den Trocknungsprozess wird kontinuierlich ein Anteil der Druckluft im Ausgangsbereich des Membranelements abgezweigt und atmosphärisch entspannt als Regenerationsluft oder Spülluft genutzt.
Wenn es wie auf Schienen läuft
Genau diese Stärken des DRYPOINT M Druckluft-Membrantrockners sind es, die für den Einsatz auf der Hybridlok unabdingbar sind: absolute Funktionssicherheit, höchste Zuverlässigkeit und sofortige Verfügbarkeit trockener Druckluft auch bei diskontinuierlicher Arbeitsweise. Und: Wartungs- und Verschleißfreiheit, da keine beweglichen Teile vorhanden sind. Schließlich kann nicht auf jeder Lok noch einen Monteur für die Druckluftanlage mitfahren lassen. Das System muss laufen, und zwar robust und fehlerfrei. Bislang ist genau das auf allen ALSTOM Hybrid-Lokomotiven der Fall.