Die Krisenlage bewirkte, dass viele Hersteller ihre Druckluftanlagen abrupt und ohne besondere Vorkehrungen außer Betrieb genommen haben. Im Falle zukünftig zu erwartender Vollauslastung dürfen die Anlagen keinesfalls Unterbrechungen verursachen. Wer störungsfrei produzieren will, sollte vor dem Wiederanlauf die folgenden Tipps beherzigen.
Nach dem Lockdown: Sicherer Wiederanlauf der Druckluftanlagen
Schutz vor „Wasserschlag“ durch elektronisch-niveaugeregelte Kondensatableiter
Durch Temperaturschwankungen kommt es in der Druckluftanlage zu Kondensation. In den Senken der Verrohrung und der Behälter, wie zum Beispiel dem Druckluftkessel oder dem Filter, lagern sich bei längerem Stillstand größere Mengen Wasser als sogenanntes Druckluftkondensat ab. Beim Wiederanlauf schießt es als „Schwallwasser" durch die Anlage und ein solcher „Wasserschlag“ kann zu erheblichen Problemen wie geplatzten Filtern führen. Um das zu verhindern, sollte das Druckluftsystem beim Hochfahren genau beobachtet werden. Wer elektronisch niveaugeregelte Kondensatableiter installiert hat, ist in diesem Fall auf der sicheren Seite.
Außerdem können sich während der Stillstandphase in Ventilen, Fittings usw. ölhaltige Schmiermittel an der Oberfläche sammeln, die dann vom Luftstrom mitgerissen werden und zu Verunreinigungen und Ölbelastungen führen.
Verklebte Filtermatten und Überlastung durch Ölschaum
Möglicherweise ist im Kompressor die über längere Zeit nicht von Luft durchströmte Ansaugfiltermatte verklebt. Im Frühling und Sommer kann die Umgebungsluft stark mit Pollen belastet sein, die sich vor den Ansaugschächten ablagern. Der erhöhte Strömungswiderstand lässt nicht nur den Energieverbrauch steigen, sondern führt möglicherweise auch zu mehr Öldampfgehalt in der Druckluft. Vor der Inbetriebnahme sollten daher die Filtermatten von Kompressoren kontrolliert und, falls erforderlich, gereinigt werden. Gleiches gilt für die Umgebung der Ansaugschächte.
Mit abnehmender Auslastung erhöhen sich die Schaltspiele der Kompressoren. Bei jedem Lastwechsel entspannt der interne Druck im Kompressor, wodurch sich Schaum im Ölseparator bilden kann. Sind die Schaltzeiten verkürzt, steht nicht genügend Zeit zur Verfügung, damit sich der Schaum auflösen kann. Das kann dazu führen, dass das Ölseparatorelement von Schaum umhüllt wird, zusätzliches Öl auf die Reinseite gelangt und den Restölgehalt deutlich anwachsen lässt. Die nachfolgende Aufbereitung kann so stark überlastet werden, dass die angestrebte Druckluftqualität nicht mehr erreicht wird.
Druckluftfilterung braucht Mindestvolumenstrom
Stillstandzeiten lassen Öl im Filtermedium verdicken und wegen der zugesetzten Filterporen kann der Differenzdruck so stark ansteigen, dass Risse entstehen und das Material aufplatzt. Die Filterpatronen sollten vor dem Wiederanlauf geprüft und, wenn nötig, gewechselt werden. Darüber hinaus haben die Filter bei geringer Belastung deutlich weniger Abscheideleistung. Ein zu niedriger Volumenstrom lässt manche Filter sogar komplett ausfallen.
Längere Auszeiten der Druckluftanlage schaffen zudem ideale Zustände für Bakterien und Keime, die beim Hochfahren aus den Filtern unkontrolliert mitgerissen werden. Hier empfiehlt sich eine Online-Sterilisation der betroffenen Anlagenabschnitte, für die kein Ausbau von Komponenten erforderlich ist. Alternativ können kontaminierte Filterelemente in einem Autoklav erneut sterilisiert werden.
Druckluftentölung leidet unter Feuchtigkeit und mangelnder Strömung
Weiterhin hat ein Anlagenstillstand gegebenenfalls Auswirkungen auf die Entölung der Druckluft mit Aktivkohleadsorbern. Ist die Aktivkohle durch Kondenswasser gesättigt, kann sie beim Wiederanlauf kein Öl aufnehmen. Auch Schwallwasser verursacht dieses Problem. Vor dem Wiederanlaufen sollten Unternehmen die Komponenten auf Feuchtigkeit überprüfen. Aktivkohleadsorber und Adsorptionstrockner enthalten Granulate und bedürfen daher grundsätzlich einer Mindestströmungsgeschwindigkeit für eine zuverlässige Entölung.
Bei Teilauslastung Messwerte ernst nehmen
Wird ein Druckluftsystem nach dem Stillstand zunächst nur teilweise ausgelastet, birgt das ein Risiko: Möglicherweise können einige Komponenten der Aufbereitung wegen des zu niedrigen Volumenstroms nicht richtig arbeiten, was wiederum zur Überlastung anderer Komponenten führt. In solchen Fällen kommt es zu scheinbar extremen Messwerten, die keinesfalls als Fehler der Messtechnik angesehen werden sollten. Stattdessen muss dann eine Funktionskontrolle der gesamten Druckluftanlage erfolgen.
Verminderter Wärmeaustausch in den Drucklufttrocknern
Auch in den Drucklufttrocknern bleibt bei längerem Stillstand verdicktes Öl an der Oberfläche haften und der Wärmeaustausch wird beeinträchtigt. Eine Spülung der Wärmetauscher mit Öl- und fettlösenden Reinigungsmitteln sorgt für Abhilfe.
Adsorptionstrockner verwenden ein granulatförmiges Trockenmittel und sind immer auf eine bestimmte Strömungsgeschwindigkeit angewiesen. Bei zu niedriger Durchströmung kommt es nur zu einer partiellen Gesamtadsorption und die Druckluft wird nicht mehr ausreichend entfeuchtet. Mit geeigneter Messtechnik lassen sich solche unerwünschten Effekte feststellen.
Festsitzende Mechanik in Kondensatableitern
In Kondensatableitern kann die Mechanik der Schwimmer in geöffneter oder geschlossener Position verkleben. Das führt zu reduzierter Leistung beziehungsweise zu einer permanenten Ableitung und dadurch zu einer Beschädigung anderer Anlagenkomponenten. Ratsam ist der Austausch oder, besser noch, die Verwendung sogenannter Zero-Loss-Ableiter, die elektronisch-niveaugeregelt arbeiten.
Kondensatableiter mit zeitgesteuerten Magnetventilen werden in Stillstandzeiten aus Energiespargründen häufig abgestellt. Beim Neustart der Produktion darf ihre Aktivierung nicht vergessen werden. Auch für diese Komponenten gilt: In über längere Zeit ungenutzen Kondensatableitern bilden sich Mikroorganismen, die im ungünstigen Falle beim Anlauf unkontrolliert mitgerissen werden.
Öl-Wasser-Trenner kann überlaufen
Verbleibt das abgeleitete Kondensat über eine längere Zeit in einem Öl-Wasser-Trenner, treten Verschleimungen und Verstopfungen auf. Die festen Ölschichten behindern beim Wiederanlauf die Funktion bis hin zum Überlaufen und damit zur Verunreinigung der gesamten Druckluftanlage. Vor dem Start sollte daher der Öl-Wasser-Trenner gereinigt und gegebenenfalls auch der Filter ausgetauscht werden.
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